top of page

Familie R. / Stillen bei Gaumenspalte

Unser Weg zum Stillen


Die Spalte unserer Tochter wurde kurz nach der Geburt bei der U1 entdeckt. Meine ersten Worte, nachdem mein Mann mir mitteilte, dass ihr Rachen komisch aussähe, waren mit leichter Verunsicherung „Na und?“ und ich kuschelte sie noch enger an mich. Beim Anlegen hatte sie keine Saugkraft, wie ich es von meinem ersten Kind kannte und sie machte laute Schmatzgeräusche.


Unsere ersten gemeinsamen Stunden wurden von einem Schlag auf den anderen beendet, als uns die Verlegung in ein anderes Krankenhaus gerade mal zwei Stunden nach der Geburt auf eine Neonatologie aufgedrängt wurde und der Arzt des Krankentransportes eine Magensonde legte, uns mitteilte, dass „Das“ auf jeden Fall operiert werden müsse, sie definitiv nicht gestillt werden könne und ich bei ihrem Transport nicht dabei sein könne. Eine Welt brach zusammen. Wie ein Alptraum, aus dem man nicht aufwachen konnte.


In unserer großen Verunsicherung und dem Gefühlschaos kam am nächsten Morgen durch die Mitarbeiterin des SPZ LKGS der erste große Lichtblick, dass unsere Tochter ein an sich gesundes Baby ist, das einfach durch die Laune der Natur mit dieser sehr gut zu operierenden Fehlbildung auf die Welt gekommen ist. Neben der erfreulichen Nachricht, dass sie keine Trinkplatte brauchte, wurde durch die SPZ-Mitarbeiterin auch der erste Kontakt zu der Stillberaterin hergestellt. Nur eineinhalb Tage nach dieser erschütternden Nachricht kam Frau Giebel das erste Mal zu uns ins Krankenhaus und nahm sich viel Zeit. In dieser bekam ich langsam ein Bild, was es heißt, ein Kind mit Gaumenspalte zu ernähren. Für mich war allerdings klar, dass sie ausschließlich meine Muttermilch bekommen wird und ich auf jegliche Spezialsauger verzichten werde. Frau Giebel erzählte uns von verschiedenen Varianten der Ernährung an der Brust oder dem Fingerfeeding. Ich entschied mich für die Variante mit dem Stillhütchen und der Spritze + Magensonde. Das Ganze sah dem Stillen schon sehr ähnlich und ich fühlte mich damit am wohlsten. Unsere Tochter kam auch sehr gut zurecht und nach kurzer Zeit konnte ich mich etwas beruhigen, da ich nun sicher war, sie zu Hause alleine satt zu bekommen. Für mich war das Ziel klar: Wenn es andere geschafft hatten, nach der/den OP's zu stillen, dann würde ich das mit meiner Tochter auch schaffen. Frau Giebel machte uns allerdings auch klar, dass dieser Weg viel Kraft und Zeit kosten würde. Hierfür bot sie uns eine enge Begleitung an, worüber ich sehr froh war.


Die kommenden Wochen spielte sich unser Tagesablauf gut ein. Vor allem das Abpumpen und ihre Trinkperioden fraßen unsere Zeit. Ein normales Familienleben war kaum möglich- ich hatte nur wenige Momente, auch mit meinem Großen alleine Zeit zu verbringen. Auch lange Ausflüge oder spontane Aktionen waren für mich absolut undenkbar, da viel zu stressig. Unsere Tochter nahm sehr gut zu und machte einen zufriedenen Eindruck. Ich dagegen ging immer mehr auf dem Zahnfleisch, was sich in Brustentzündungen und nach 3 Monaten mit einer Gürtelrose äußerte. Auch hier kam mir Frau Giebel sofort beratend zu Hilfe, damit ich trotz Medikamenteneinnahme weiter meine Muttermilch füttern konnte.


Immer näher rückte der OP Termin mit 3,5 Monaten und die Zweifel an unserer Entscheidung für einen so frühen OP-Termin und einen wahrscheinlich zweiten 6 Monate später nahmen immer mehr zu. Unsere Tochter konnte an der Brust in einer Viertelstunde gefüttert werden und ich pumpte fünf mal täglich ab. Bis auf das quälende nächtliche Aufstehen und Füttern hatten wir uns mit der Situation arrangiert.


Der Sommer kam und so auch der Tag der OP. Die quälenden Stunden des Wartens wurden durch einen Anruf aus dem OP beendet mit der Nachricht, dass bei unserer Tochter der gesamte Gaumen mit einem Mal verschlossen werden konnte. Keine weitere OP sollte nötig sein. Wir waren überwältigt von dieser unglaublich tollen Nachricht und konnten dadurch für die Tage im Krankenhaus viel Kraft schöpfen. Allerdings machte sie es uns nicht besonders schwer. Sie schlief wie gewohnt und war auch in ihren Wachphasen ein fröhliches Baby. Am Morgen nach der OP konnte sie schon wieder lächeln. Am Entlassungstag klappte das Füttern an der Brust wie gewohnt. Alles war wie vorher. Doch: Ich merkte, dass sie auf dem Stillhütchen mehr Sog hatte als vorher.


Nach 2 Wochen Schonzeit konnten wir endlich mit dem Saugtraining beginnen. Frau Giebel kam bereits im Krankenhaus auf Station vorbei und konnte mir schon viel erzählen zum Stillen-Lernen- vor allem auch, dass es zeit-und nervenzehrender sein würde, als bisher und ich mich auch auf das Handling des Brusternährungssets vorbereiten müsste. In der Zeit des Saugtrainings stand ich in enger Rücksprache mit Frau Giebel, die mich in meinem Tun bestärkte. Jede Stillmahlzeit dauerte nun eine Stunde und besonders nervig war, dass meine kleine Maus jedes Mal nach fünf Minuten einschlief. So nuckelte sie im Halbschlaf am Stillhütchen und machte dabei immer diese „Schmatzgeräusche“- als wäre der Unterdruck noch nicht richtig da. Zwar versuchte ich auch, sie an der Brust anzulegen, aber das endete in Abwehrverhalten meiner Tochter, schließlich kannte sie nur das Hütchen. Einmal jedoch saugte sie mehrere Minuten ohne Meckern an meiner vollen Brust.


Nach einer Woche merkte ich deutliche Verbesserungen mit dem BES, dann aber stagnierte ihr Fortschritt. Ich hatte immer mehr das Gefühl, dass es am Stillhütchen liegen müsste.- Nach einer weiteren Woche beriet ich mit Frau Giebel, dass etwas verändert werden müsse. Ich wusste, dass es das Stillhütchen war und auch, dass das BES ohne Hütchen von meiner Tochter nicht angenommen werden würde. Dieser Schritt, von einem aufs andere Mal alles wegzulassen, war für mich unglaublich schwierig. Frau Giebel aber sprach mir zu, dass ein Zwang an dieser Stelle der Schlüssel zum Erfolg sein müsste. Die erste Stillmahlzeit „ohne alles“ gelang super. Kein Jammern, nur Saugen. Die Abendmahlzeit jedoch endete mit einem Schreianfall an der Brust. Sie ging ohne einen Schluck Milch ins Bett. Ich war sehr verunsichert. Aber auch hier prophezeite mir Frau Giebel, dass es in der Nacht besser klappen würde. Uns so war es auch. Am nächsten Morgen waren ihre Windeln übergelaufen, so viel hatte sie getrunken. Seitdem kann ich ganz normal stillen. Das Abpumpen lies ich nach ein paar Tagen sein- Es ist unglaublich, wie viel Freiheit man auf einmal hat, wie unbeschwert das Leben ist. Ich kann es jetzt, nach 4 Wochen stillen immer noch nicht glauben und bin überglücklich. Die Schmatzgeräusche an der Brust sind so gut wie verschwunden und ihr Sog ist tausend Mal angenehmer, als dieses schreckliche Abpumpen. Wir können unsere Zeit zu viert jetzt richtig genießen und auch nachts ist das Stillen im Liegen so viel schöner als vorher.


Ich bin so froh, dass wir all diese Strapazen auf uns genommen haben und uns für diesen Weg entschieden haben. Ich bin so stolz auf meine kleine Kämpferin und auf mich, dass wir das gemeinsam geschafft haben. Vor allem aber bin ich dankbar für all die Helfer an unserer Seite. Besonders mein Mann, der jede Minute seiner Zeit für uns geopfert hat und mir den Raum für das Erreichen unseres Ziels gegeben hat. Mein Sohn, der mir mit unseren Familiennachmittagen auf dem Spielplatz einen Hauch Normalität und Glück gegeben hat. Und Frau Giebel, die mir von Anfang beim Verfolgen meines großen Wunsches zum Stillen immer mit Ruhe und Kraft geholfen hat.

bottom of page